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 Taiwan vs. China

Dies ist eine Rede die ich im Rahmen des Deutschunterrichts im Frühjahr 2006 gehalten habe.


„Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört“ – wer kennt diese Worte nicht? Wie viele Menschen hatten die Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland am 03. Oktober 1990 jahrzehntelang herbeigesehnt? Die Mehrheit hatte sicherlich die Hoffnung eines Gesamtdeutschlands, eines einzigen Volkes, mit der Gründung der DDR 1949 längst aufgegeben, spätestens jedoch mit dem Bau der Mauer als innerdeutsche Grenze. Umso erstaunlicher erscheint es, dass es Politikern gelungen ist, diese Grenze zu überwinden.
Schaut man sich auf der Welt um so hat es den Anschein, dass man überall bemüht ist, einst, meist durch Kriege, getrennte Länder wieder zusammenzuführen. Der Wunsch der südkoreanischen Bevölkerung nach einer Wiedervereinigung mit Nordkorea findet in der gesamten Welt anklang; ein erstmals gemeinsames Einlaufen bei den Olympischen Sommerspielen in Sydney 2000 wurde bereits als hoffnungsvolles Zeichen gedeutet.
Umso erstaunlicher ist, welche Diskussionen die politische Lage Taiwans verursacht. Immer wieder hört man, dass Taiwan ein eigenständiger, von der VR China unabhängiger Staat sei. Es ist verwunderlich, dass bei diesem Thema viele Stimmen für eine Unabhängigkeit Taiwans plädieren – ganz im Gegensatz zu anderen Ländern, bei denen eine Vereinigung, mit scheinbar beinahe allen möglichen Mitteln zu erreichen versucht wird. Tatsächlich scheiden sich an der Taiwan-Frage die Geister.

Seine Ursachen hat das Problem im chinesischen Bürgerkrieg der von 1946-49 wütete. Nach zunehmenden Niederlagen der nationalistischen Partei Kuomintang und ihrem Führer Jiang Kaishek gegen die Kommunistische Partei schien ein Sieg der Nationalisten immer aussichtsloser. In letzter Konsequenz floh die Regierungsführung der Kuomintang auf die Insel Taiwan und Jiang Kaishek rief 1950 erneut die „Republik China“ aus, ein Jahr nach der Gründung der „Volksrepublik China“ auf dem Festland und 38 Jahre nach der Republikgründung zur Beendigung des Kaiserreichs. Taiwan bzw. die Republik China nahm daraufhin den Sitz im UN-Sicherheitsrat ein und vertrat „Gesamtchina“. Erst mit dem Beitritt der VR China in die UNO tritt Taiwan 1971 aus Protest aus, da die Nationalregierung die Alleinvertretung Gesamtchinas beanspruchte und den Beitritt der kommunistischen Volksrepublik zu tolerieren, würde bedeuten, die Regierung als legitim anzuerkennen. 1978 brachen die USA, die ursprüngliche Schutzmacht Taiwans, den offiziellen diplomatischen Kontakt zu Taiwan ab und wanden sich der VR China zu. Während früher viele Stimmen für eine Unabhängigkeit Taiwans waren, hat sich dies mittlerweile geändert. Heute halten nur noch 26 Staaten, der Großteil afrikanische und südamerikanische Länder, offizielle diplomatische Beziehungen zu Taiwan und lediglich ein Land erkennt Taiwan als souveränen Staat an – der Vatikan.

Ein historischer Moment war sicherlich, als es im April diesen Jahres erstmals seit 1945 zu einem Treffen zwischen der KPC und der GMT auf dem Festland gekommen ist. Eben jene Partei, die damals vom Kontinent geflohen ist, geht jetzt auf China zu und zeigt damit deutlich, welchen Kurs sie wählt. Tatsächlich hält die Führung der GMT eine Vereinigung Taiwans mit China unter der Prämisse „Ein Land – zwei Systeme“ gar nicht mehr für sehr unwahrscheinlich. Diese erstmals in Zusammenhang mit HK, welches 1997 nach 100jähriger Commonwealth-Zugehörigkeit an die Volksrepublik zurückging, aufgetauchte Formel besagt, dass es zwar ein China bestehend aus Festlands-China und Taiwan gibt, es aber zwei Interpretationen, oder anders gesagt, zwei Regierungen, von „China“ gibt. Taiwanesische Unterstützer der Wiedervereinigung interpretieren das „eine China“ auch so, dass es einen geographischen Raum gibt, der als „China“ bezeichnet wird, dieser aber seit dem chinesischen Bürgerkrieg auf zwei Regierungen aufgeteilt ist. Letztendlich wird nach ihrer Auffassung China aber unter einer Regierung wiedervereint werden.
Die Position der GMT hat sich immer wieder leicht verändert und seit diesem Jahr nähert sie sich der Position der VRC soweit an, dass ein Dialog zwischen den beiden Parteien möglich wird.
Die kommunistische Partei betreibt hingegen seit Jahren eine „Ein-China“-Politik. Alle Staaten, die Beziehungen zur Volksrepublik aufnehmen wollen, müssen dieses Prinzip anerkennen. Es besagt, dass es nur ein China gibt und Festland-China und Taiwan ein Teil von ihm sind. Die Regierung in Peking ist allerdings seit ca. 2000 davon abgekommen, nur die Volksrepublik als rechtmäßiges China zu bezeichnen und hat ihre Position in der Frage leicht abgemildert.
Deutschland erkennt die „Ein-China“-Politik unter dem Vorsatz „Ein Land – zwei Systeme“ an, was sowohl die kommunistische Regierung der Volksrepublik als auch das demokratische System auf Taiwan akzeptiert.

China betrachtet Taiwan als eine abtrünnige Provinz. Es besteht nach der Sichtweise der chinesischen Regierung und Bevölkerung die Gefahr, dass auch andere Provinzen nach Unabhängigkeit streben, sollte sich Taiwan für selbstständig erklären. Und dies wäre das Ende des einstigen Reiches China und verursacht verständlicherweise Bedenken auf dem Festland.
Wie würde Deutschland reagieren, wenn morgen beispielsweise Bayern einen eigenen Staat gründen würde? Was sagt Frankreich zu den Unabhängigkeitsbestrebungen auf Korsika?
So ist es verständlich, dass sich die chinesische Regierung vor dem Zerfall des eigenen Landes schützen möchte. Dabei ist jedoch die Art und Weise fraglich, in der dies geschieht. Im März diesen Jahres hat die Regierung in Peking ein Anti-Abspaltungs-Gesetz unterzeichnet, welches China berechtigt, im Falle einer Unabhängigkeits-Erklärung seitens Taiwan militärische Maßnahmen zu ergreifen. Natürlich erregte dieses Gesetz Protest aus der ganzen Welt.

Mir stellt sich dabei allerdings die Frage, welches Recht wir haben, uns von außen dermaßen in die Angelegenheiten eines anderen Staates einzumischen und ihm vorschreiben zu wollen, was er zu tun und zu lassen hat. Vergessen wir dabei nicht völlig die Meinung des Volkes? Tatsächlich will gar nicht DAS Volk Taiwans die Unabhängigkeit, wie die Wahlen von 2004 zeigen. Mit einem Vorsprung von geradeeinmal 0.22% hat die Demokratische Partei die Parlamentswahlen gewonnen. Diese Partei strebt die Unabhängigkeit von Taiwan an. Die andere Hälfte des taiwanesischen Volkes wählte die oppositionelle GMT, welche nun ihrerseits erste Schritte auf die Volksrepublik zu macht.

Es ist nicht in Ordnung, dass wir unsere deutsche, oder allgemeiner gesagt, unsere westliche Sichtweise eins-zu-eins auf andere Länder zu übertragen versuchen. Dies funktioniert in vielen Fällen nicht, da wir es mit einer gänzlich anderen Kultur zu tun haben. Wie wir an dem Beispiel Taiwan gesehen haben, werden durch machtpolitische Interessen sowohl im eigenen Land als auch von außen, als beispielsweise die Wirtschaft der Insel auf dem Weltmarkt noch eine größere Rolle gespielt hat, die Interessen der eigenen Bevölkerung völlig vernachlässigt.
Amerika mischt sich immer wieder direkt in die Geschehnisse in anderen Ländern ein und viele hier im Raum werden das nicht gutheißen. Also machen wenigstens wir es besser und versuchen erst die anderen Sichtweisen zu verstehen, bevor wir Vorschläge zur Veränderung bringen oder konkret Kritik üben. Das sich die Geschehnisse auch ohne unser zutun zu einer möglicherweise friedlichen Lösung entwickeln, zeigt sich an Taiwan. Denn obwohl die KPC mit dem Gesetz diesen Jahres militärische Züge nicht ausschließt, antwortet der Präsident Taiwans damit, dass er die Unabhängigkeit nicht erklären wird, solange Taiwan nicht akut militärisch bedroht ist.
Stärkere Annäherung gibt es auf anderer Seite. Seit Anfang diesen Jahres ist es Festlandschinesen erlaubt, ohne Einschränkungen nach Taiwan zu reisen und somit können beispielsweise auch Familien, welche durch den Bürgerkrieg getrennt worden sind, endlich wieder vereint werden. Und von Taiwan aus erobern schon seit Jahren Schauspieler und Sänger den chinesischen Markt und sorgen somit für ein ungezwungeneres, nichtpolitisches Zusammenrücken und Miteinanderidentifizieren der beiden Bevölkerungen der Volksrepublik und der Republik China. Die Chinesen sind offensichtlich selbst auf dem besten Weg zu einer Lösung des Problems und allzu große Einmischung von außen könnte diesen Prozess dabei nur behindern.

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