Ringparabel |
Siebenter
Auftritt
Saladin und Nathan.
Saladin. (So ist das Feld hier rein!) - Ich komm dir
doch Nicht zu geschwind zurück? Du bist zu Rande Mit deiner
Überlegung. - Nun so rede! Es hört uns keine Seele. Nathan.
Möcht' auch doch Die ganze Welt uns hören. Saladin. So
gewiss Ist Nathan seiner Sache? Ha! das nenn Ich einen Weisen! Nie
die Wahrheit zu Verhehlen! für sie alles auf das Spiel Zu setzen!
Leib und Leben! Gut und Blut! Nathan. Ja! Ja! wann's nötig
ist und nutzt. Saladin. Von nun An darf ich hoffen, einen
meiner Titel, Verbesserer der Welt und des Gesetzes, Mit Recht zu
führen. Nathan. Traun, ein schöner Titel! Doch, Sultan, eh'
ich mich dir ganz vertraue, Erlaubst du wohl, dir ein Geschichtchen
zu Erzählen? Saladin. Warum das nicht? Ich bin stets Ein
Freund gewesen von Geschichtchen, gut Erzählt. Nathan. Ja,
gut erzählen, das ist nun Wohl eben meine Sache nicht.
Saladin. Schon wieder So stolz bescheiden? - Mach! erzähl,
erzähle! Nathan. Vor grauen Jahren lebt' ein Mann in
Osten, Der einen Ring von unschätzbarem Wert Aus lieber Hand besaß.
Der Stein war ein Opal, der hundert schöne Farben spielte, Und hatte
die geheime Kraft, vor Gott Und Menschen angenehm zu machen, wer In
dieser Zuversicht ihn trug. Was Wunder, Dass ihn der Mann in Osten
darum nie Vom Finger ließ; und die Verfügung traf, Auf ewig ihn bei
seinem Hause zu Erhalten? Nämlich so. Er ließ den Ring Von seinen
Söhnen dem geliebtesten; Und setzte fest, dass dieser wiederum Den
Ring von seinen Söhnen dem vermache, Der ihm der liebste sei; und stets
der liebste, Ohn' Ansehn der Geburt, in Kraft allein Des Rings, das
Haupt, der Fürst des Hauses werde. - Versteh mich, Sultan.
Saladin. Ich versteh dich. Weiter! Nathan. So kam
nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn, Auf einen Vater endlich von drei
Söhnen; Die alle drei ihm gleich gehorsam waren, Die alle drei er
folglich gleich zu lieben Sich nicht entbrechen konnte. Nur von
Zeit Zu Zeit schien ihm bald der, bald dieser, bald Der dritte, -
sowie jeder sich mit ihm Allein befand, und sein ergießend Herz Die
andern zwei nicht teilten, - würdiger Des Ringes; den er denn auch
einem jeden Die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen. Das ging
nun so, solang es ging. - Allein Es kam zum Sterben, und der gute
Vater Kömmt in Verlegenheit. Es schmerzt ihn, zwei Von seinen
Söhnen, die sich auf sein Wort Verlassen, so zu kränken. - Was zu tun?
- Er sendet in geheim zu einem Künstler, Bei dem er, nach dem Muster
seines Ringes, Zwei andere bestellt, und weder Kosten Noch Mühe
sparen heißt, sie jenem gleich, Vollkommen gleich zu machen. Das
gelingt Dem Künstler. Da er ihm die Ringe bringt, Kann selbst der
Vater seinen Musterring Nicht unterscheiden. Froh und freudig
ruft Er seine Söhne, jeden insbesondre; Gibt jedem insbesondre
seinen Segen, - Und seinen Ring, - und stirbt. - Du hörst doch, Sultan?
Saladin (der sich betroffen von ihm
gewandt). Ich hör, ich höre! - Komm mit deinem
Märchen Nur bald zu Ende. - Wird's? Nathan. Ich bin zu
Ende. Denn was noch folgt, versteht sich ja von selbst. - Kaum war
der Vater tot, so kömmt ein jeder Mit seinem Ring, und jeder will der
Fürst Des Hauses sein. Man untersucht, man zankt, Man klagt.
Umsonst; der rechte Ring war nicht Erweislich; - (nach einer Pause, in welcher er des Sultans Antwort
erwartet) Fast so unerweislich, als Uns itzt - der rechte
Glaube. Saladin. Wie? das soll Die Antwort sein auf meine
Frage? ... Nathan. Soll Mich bloß entschuldigen, wenn ich
die Ringe Mir nicht getrau zu unterscheiden, die Der Vater in der
Absicht machen ließ, Damit sie nicht zu unterscheiden wären.
Saladin. Die Ringe! - Spiele nicht mit mir! - Ich
dächte, Dass die Religionen, die ich dir Genannt, doch wohl zu
unterscheiden wären. Bis auf die Kleidung, bis auf Speis' und Trank!
Nathan. Und nur von Seiten ihrer Gründe nicht. Denn
gründen alle sich nicht auf Geschichte? Geschrieben oder überliefert! -
Und Geschichte muss doch wohl allein auf Treu Und Glauben angenommen
werden? - Nicht? - Nun, wessen Treu und Glauben zieht man denn Am
wenigsten in Zweifel? Doch der Seinen? Doch deren Blut wir sind? doch
deren, die Von Kindheit an uns Proben ihrer Liebe Gegeben? die uns
nie getäuscht, als wo Getäuscht zu werden uns heilsamer war? - Wie
kann ich meinen Vätern weniger Als du den deinen glauben? Oder
umgekehrt. - Kann ich von dir verlangen, dass du deine Vorfahren
Lügen strafst, um meinen nicht Zu widersprechen? Oder umgekehrt. Das
Nämliche gilt von den Christen. Nicht? - Saladin. (Bei dem
Lebendigen! Der Mann hat Recht. Ich muss verstummen.)
Nathan. Lass auf unsre Ring' Uns wieder kommen. Wie gesagt:
die Söhne Verklagten sich; und jeder schwur dem Richter, Unmittelbar
aus seines Vaters Hand Den Ring zu haben. - Wie auch wahr! -
Nachdem Er von ihm lange das Versprechen schon Gehabt, des Ringes
Vorrecht einmal zu Genießen. - Wie nicht minder wahr! - Der
Vater, Beteurt' jeder, könne gegen ihn Nicht falsch gewesen sein;
und eh' er dieses Von ihm, von einem solchen lieben Vater, Argwohnen
lass': eh' müss' er seine Brüder, So gern er sonst von ihnen nur das
Beste Bereit zu glauben sei, des falschen Spiels Bezeihen; und er
wolle die Verräter Schon auszufinden wissen; sich schon rächen.
Saladin. Und nun, der Richter? - Mich verlangt zu
hören, Was du den Richter sagen lässest. Sprich!
Nathan. Der Richter sprach: Wenn ihr mir nun den
Vater Nicht bald zur Stelle schafft, so weis ich euch Von meinem
Stuhle. Denkt ihr, dass ich Rätsel Zu lösen da bin? Oder harret
ihr, Bis dass der rechte Ring den Mund eröffne? - Doch halt! Ich
höre ja, der rechte Ring Besitzt die Wunderkraft beliebt zu
machen; Vor Gott und Menschen angenehm. Das muss Entscheiden! Denn
die falschen Ringe werden Doch das nicht können! - Nun; wen lieben
zwei Von Euch am meisten? - Macht, sagt an! Ihr schweigt? Die Ringe
wirken nur zurück? und nicht Nach außen? Jeder liebt sich selber
nur Am meisten? - Oh, so seid ihr alle drei Betrogene Betrüger! Eure
Ringe Sind alle drei nicht echt. Der echte Ring Vermutlich ging
verloren. Den Verlust Zu bergen, zu ersetzen, ließ der Vater Die
drei für einen machen. Saladin. Herrlich! herrlich!
Nathan. Und also, fuhr der Richter fort, wenn ihr Nicht
meinen Rat, statt meines Spruches, wollt: Geht nur! - Mein Rat ist aber
der: ihr nehmt Die Sache völlig wie sie liegt. Hat von Euch jeder
seinen Ring von seinem Vater: So glaube jeder sicher seinen Ring Den
echten. - Möglich; dass der Vater nun Die Tyrannei des einen Rings
nicht länger In seinem Hause dulden willen! - Und gewiss; Dass er
euch alle drei geliebt, und gleich Geliebt: indem er zwei nicht drücken
mögen, Um einen zu begünstigen. - Wohlan! Es eifre jeder seiner
unbestochnen Von Vorurteilen freien Liebe nach! Es strebe von euch
jeder um die Wette, Die Kraft des Steins in seinem Ring' an Tag Zu
legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut, Mit herzlicher Verträglichkeit,
mit Wohltun, Mit innigster Ergebenheit in Gott Zu Hilf'! Und wenn
sich dann der Steine Kräfte Bei euern Kindes-Kindeskindern
äußern: So lad ich über tausend tausend Jahre Sie wiederum vor
diesen Stuhl. Da wird Ein weisrer Mann auf diesem Stuhle sitzen Als
ich; und sprechen. Geht! - So sagte der Bescheidne Richter.
Saladin. Gott! Gott! Nathan. Saladin, Wenn du
dich fühlest, dieser weisere Versprochne Mann zu sein: ...
Saladin (der auf ihn zustürzt und seine Hand ergreift, die
er bis zu Ende nicht wieder fahren lässt). Ich Staub? Ich
Nichts? O Gott! Nathan. Was ist dir, Sultan?
Saladin. Nathan, lieber Nathan! - Die tausend tausend Jahre
deines Richters Sind noch nicht um. - Sein Richterstuhl ist
nicht Der meine. - Geh! - Geh! - Aber sei mein Freund.
Nathan. Und weiter hätte Saladin mir nichts Zu sagen?
Saladin. Nichts. Nathan. Nichts? Saladin.
Gar nichts. - Und warum? Nathan. Ich hätte noch Gelegenheit
gewünscht, Dir eine Bitte vorzutragen. Saladin.
Braucht's Gelegenheit zu einer Bitte? - Rede! Nathan. Ich
komm von einer weiten Reis', auf welcher Ich Schulden eingetrieben. -
Fast hab ich Des baren Gelds zu viel. - Die Zeit beginnt Bedenklich
wiederum zu werden; - und Ich weiß nicht recht, wo sicher damit hin.
- Da dacht' ich, ob nicht du vielleicht, - weil doch Ein naher Krieg
des Geldes immer mehr Erfordert, - etwas brauchen könntest.
Saladin (ihm steif in die Augen
sehend). Nathan! - Ich will nicht fragen, ob Al-Hafi
schon Bei dir gewesen; - will nicht untersuchen, Ob dich nicht sonst
ein Argwohn treibt, mir dieses Erbieten freierdings zu tun: ...
Nathan. Ein Argwohn? Saladin. Ich bin ihn wert. -
Verzeih mir! - Denn was hilft's? Ich muss dir nur gestehen, - dass ich
im Begriffe war - Nathan. Doch nicht, das Nämliche An
mich zu suchen? Saladin. Allerdings. Nathan. So
wär' Uns beiden ja geholfen! - Dass ich aber Dir alle meine
Barschaft nicht kann schicken, Das macht der junge Tempelherr. Du
kennst Ihn ja. Ihm hab ich eine große Post Vorher noch zu bezahlen.
Saladin. Tempelherr? Du wirst doch meine schlimmsten Feinde
nicht Mit deinem Geld auch unterstützen wollen?
Nathan. Ich spreche von dem einen nur, dem du Das Leben
spartest ... Saladin. Ah! woran erinnerst Du mich! - Hab ich
doch diesen Jüngling ganz Vergessen! - Kennst du ihn? - Wo ist er?
Nathan. Wie? So weißt du nicht, wie viel von deiner
Gnade Für ihn, durch ihn auf mich geflossen? Er, Er mit Gefahr des
neu erhaltnen Lebens, Hat meine Tochter aus dem Feu'r gerettet.
Saladin. Er? Hat er das? - Ha! darnach sah er aus. Das
hätte traun mein Bruder auch getan, Dem er so ähnelt! - Ist er denn
noch hier? So bring ihn her! - Ich habe meiner Schwester Von diesem
ihren Bruder, den sie nicht Gekannt, so viel erzählet, dass ich
sie Sein Ebenbild doch auch muss sehen lassen! - Geh, hol ihn! - Wie
aus einer guten Tat, Gebar sie auch schon bloße Leidenschaft, Doch
so viel andre gute Taten fließen! Geh, hol ihn! Nathan
(indem er Saladins Hand fahren lässt).
Augenblicks! Und bei dem andern Bleibt es doch auch? (Ab.) Saladin. Ah! dass ich meine
Schwester Nicht horchen lassen! - Zu ihr! zu ihr! - Denn Wie soll
ich alles das ihr nun erzählen? (Ab von der andern
Seite.)
aus "Nathan der Weise" V,7
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